III Die Pest in der Frühen Neuzeit – alte Probleme, neue Lösungen?

Wie bereits in dem vorherigen Beitrag erwähnt, können die Pestepidemien als Mutter aller Pandemien und Epidemien angesehen werden. Nicht nur im 13-14 Jh. hatte die Pest verheerende Auswirkungen in der Bevölkerung. Auch im 17-18 Jh. kehrte die Seuche erneut nach Europa zurück. Gerade aus der Epidemie dieser Zeit können viele Parallelen zu heutigen Situationen gezogen werden, vor allem in Bezug zur aktuellen Lage mit dem Corona-Virus (Sars-CoV2).

In unserem Seminar vom 11. Mai 2020 setzten wir uns deshalb mit der Pestausbreitung in Danzig und Stralsund als Eckpfeiler der erneuten Seuchenwelle auseinander.

Sowohl Danzig als auch Stralsund galten im 17-18. Jh. als wichtige Handelsstädte. Hier verbreitete sich die Pest durch die Nordischen Kriege (1700-1721) rasant im Ostseeraum. Sowohl durch den herrschenden Krieg als auch durch das engmaschige Handelsnetz durchschritten unzählige Menschen die Ostseegebiete und begünstigen damit die Seuchenausbreitung. In Folge der unmittelbaren Gefahr wurden viele Präventionsmaßnahmen für die jeweiligen Städte getroffen. Es gab verstärkte Grenzkontrollen. Der Schiffverkehr wurde zusehends beobachtet. „Infizierte Städte“ wurden in Quarantäne gestellt. Infizierte Bürger wurden in sogenannte Pesthäuser einquartiert und von der Bevölkerung isoliert. Verdachtsfälle mussten umgehend gemeldet werden. Öffentliche Räume wurden regelmäßig gesäubert und Lebensmittelvorräte wurden angelegt. Viele Mediziner versuchten bestimmte Verhaltensregeln für den Umgang mit der Pest zu konzipieren, die zu Beginn jedoch von den höheren Ebenen ignoriert wurden, die das Ausmaß der Situation unterschätzten.

Dieses Phänomen sah man auch in anderen betroffenen Städten dieser Zeit. In Stettin zum Beispiel wurde die Quarantäne in der Stadt erst ausgesprochen, als es keine andere Möglichkeit mehr gab, die Pest einzudämmen. Der Rat wollte den Kaufleuten der Stadt keine Einbußen durch die Quarantäne beschaffen und der ärmeren Bevölkerungsschicht eine Möglichkeit geben, weiterhin an günstige Lebensmittel zu gelangen.

Jedoch entstand damals das Problem, dass die Hansestädte über die jeweiligen anderen behaupteten, die Zustände und die Infektionszahlen wäre weit höher als offiziell angegeben, damit die Händler eher an ihrem Hafen anlegten. Diese „Schwarze Propaganda“ führte zu einem Konkurrenzkampf zwischen den Hafenstädten.

Die damals weit verbreitete Miasmen-Theorie, die besagt, dass die Erreger einer Krankheit durch Luft und Wasser übertragen werden, war Begründer der getroffenen Maßnahmen der damaligen Zeit. Ein Erklärungsmuster, das bis ins 19. Jh. nicht hinterfragt wurde. Auf Grund dessen wurden Pestleichen außerhalb der Stadt bestattet und teilweise sogar verbrannt. Sogar deren Hab und Gut. Die Isolierung der Infizierten und außerhalb der Stadt angelegte „Pestmärkte“ waren Ergebnis dieser Annahme. Einige Waren wie Wolle oder Kleidung wurden zwei Wochen lang vor der Stadt gelagert, weil man davon ausging, die Erreger würden sich in Textilien länger halten und diese würden nach dieser Zeit „verfliegen“.

Heutzutage ist durch Virologie und Bakteriologie bekannt, dass Krankheitserreger nicht direkt durch „Ausdünstungen“ oder „faulige Prozesse in Luft und Wasser“ entstehen und sich verbreiten, sondern vielmehr durch viele verschiedene Faktoren, wie zum Beispiel Tröpfcheninfektionen und mangelnde Hygiene. Trotzdem waren die getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie bereits damals sinnvoll und die Mediziner waren auf dem richtigen Weg zur Seuchenbekämpfung.

Welche Parallelen kann man schließlich zu heute ziehen?

Die Maßnahmen die getroffen werden, um eine Epidemie zu verhindern oder einzudämmen, sind bis heute dieselben. Aktuell sind weltweit aufgrund des Coronavirus Quarantänemaßnahmen verhängt worden. Infizierte werden in häusliche oder stationäre Quarantäne gesetzt und isoliert. Grenzen zu anderen Ländern wurden geschlossen. Die einzelnen Bürger legten sich Lebensmittelvorräte an und führten sogenannte „Hamsterkäufe“ durch. Nichtverderbliche Lebensmittel wie Nudeln, Reis oder Konserven werden gehortet. Sogar Toilettenpapier und anderen Hygieneartikel bei denen man Angst hatte sie würden einem ausgehen.

Was sagt uns das über das Verhalten in Epidemien über die Jahrhunderte aus? Bereits vor einigen hundert Jahren hatten die Menschen einen Weg gefunden, Katastrophen dieser Art abzuwenden oder den Schaden auf ein Minimum zu reduzieren. Abgesehen von dem medizinischen Fortschritt hat sich also nicht viel geändert. Wirtschaftliche Aspekte spielen in der damaligen und heutigen Zeit eine große Rolle, wie man an dem Beispiel von Stettin sehen kann. Auch heutzutage wollen die einzelnen Länder den Handel nicht einschränken, was aber ebenfalls daran liegt, dass die Länder viel abhängiger voneinander sind als vor einigen hundert Jahren (z.B. Maskenproduktion hauptsächlich in China).

In Danzig gab es einen Autor, der sich den Ausnahmezustand zu Nutze machte und mit „literarischen Überhöhungen“ über, weit mehr als offiziell gemeldete, Todesfälle und unzumutbare Zustände innerhalb der Stadt seine Verkaufszahlen steigern wollte. Dies kann man mit den zahllosen Verschwörungstheorien zum Coronavirus vergleichen, die zum Beispiel auch behaupten die offiziellen Zahlen in China würden nicht der Wahrheit entsprechen. Es ist jedoch sowohl damals, als auch heute nicht bekannt in wie weit diese Schriften der Wahrheit entsprechen und müssten einer genauen Überprüfung unterzogen werden.

Letztendlich stellt man sich die Frage: Waren die Menschen vor 300 Jahren schon so weit fortgeschritten im Umgang mit einer Epidemie oder sind wir in der Zeit stehen geblieben? Was ist an der Stadtgeschichte über die Pest in Danzig und Stralsund modern und was ist alt? Was kann man heutzutage anwenden und was muss noch weiter erforscht werden?

Zapnik Jörg: Pest und Krieg im Ostseeraum. Der „Schwarze Tod“ in Stralsund während des Großen Nordischen Krieges (1700-1721). In: Wernicke, Horst (Hrsg.): Greifswalder Historische Studien. Hamburg. Verlag Dr. Kovac 2007. (Band 7). S.33-41

Hinterlasse einen Kommentar

Erstelle eine Website wie diese mit WordPress.com
Jetzt starten